Auf dem Strand nach Nouakchott

Die Sahara hat sich bisher nicht immer von ihrer besten Seite gezeigt, das Wetter war teilweise kniffelig. Zu Anfang 2 Tage stürmisch, Sand fegt in die Augen, wer geschlossene Brillen hat, wird von allen beneidet. Die gute Kamera packen wir erst gar nicht aus. Es ist oft bewölkt, weshalb das Thermometer wenigstens nur auf max. 40°C geklettert war, meistens lag die Temperatur eher bei 31-36°C. Fürs Knipsen sind die Lichtverhältnisse wegen der Wolken ziemlich bescheiden.

Wir wurden bislang durch 2 Militärjeeps mit je 5 Soldaten begleitet. Wir waren teilweise froh um Ihre Begleitung, denn wann immer man hier in der Nähe eines Dorfes hält, kommen zuerst die Kinder, dann die Erwachsenen, mit immer demselben Satz „Donne-moi un cadeau“, sie fragen nach Geschenken. Es werden viele Geschenke verteilt, doch die Kofferräume sind nicht endlos gefüllt, und für Gambia und den Senegal soll auch noch etwas übrigbleiben. Und die Leute haben Ausdauer. Zu erklären, dass man nichts mehr hat, hilft nicht immer, die Augen sind groß und oft wird jemand weich und findet doch noch etwas im Kofferraum, was er erübrigen kann.

Man lebt hier in Zelten oder einräumigen Steinklötzen.

Die Menschen hier sind recht schreckhaft. Sobald sich die Soldaten nähern, stiebt die Menge auseinander, auch, wenn man sich selbst beim Cadeau-Verteilen aus der Hocke aufrichtet, machen sie erschreckt einen Satz zurück. Das Leben in Mauretanien scheint nicht einfach und Gewalt ist hier wohl oftmals das Mittel der Wahl, das ist deutlich zu merken.

Die Soldaten halten die Dorfbewohner abends jedoch allein durch ihre Anwesenheit von unseren Zelten fern, es ist zwar nicht schön, so abgekapselt zu sein, doch man hat eine Ruhepause, und man kann auch gar nicht so viel dabei haben, wie man verteilen möchte.

Wir gehen im Meer den Sand aus den Ohren waschen, und am nächsten Morgen bereiten sich alle auf die Strandauffahrt vor. Eigentlich hatten wir gestern schon hier durchkommen wollen, aber wegen der Flut mussten wir bis zum Morgen warten.

Es folgt eine Stunde voller Spaß und Schadenfreude, als alle versuchen, mit ihren Autos durch hohen, feinen Sand hinunter an den Strand zu gelangen.

Anlauf und am Anschlag im 2. Gang rein in den Sand lautet die Devise, bis man die Kuppe erreicht hat oder die Räder durchdrehen, dann etwas runter vom Gas, damit man nicht ins Meer schanzt, danach sachte eine flotte 90°-Kurve nach links und bloß oberhalb der Brandung parken, sonst bleibt das Auto womöglich hier.

Einige bleiben auf dem Weg stecken, sie waren zu zaghaft und zu langsam und müssen mit Seilen und durch Schieben befreit werden. Andi und ich haben es mit Ms. Winterbottom und Mr. Pommeroy ohne Stoßstangenverlust geschafft, andere verteilen diverse Autoteile am Strand, aber zum Glück nicht viel. Alle Autos sind ja im Vorfeld mit Stahlplatten als Unterbodenschutz ausgerüstet worden, so dass man auch mal auf dem Sand Schlitten fahren kann, ohne Kühler oder Ölfilter liegen zu lassen.

Es folgt eine grandiose, ca. 40km lange Fahrt am Strand. Teilweise kann man hier mit 90km/h über die nasse, griffige Piste donnern, doch Vorsicht ist auch hier geboten, hin und wieder spülen die Wellen weit den Strand hoch, wer hier zu tief in die Brandung fährt, bekommt ein ernsthaftes Problem (einseitiges Aquaplaning). Doch wir können es uns nicht verkneifen, hin und wieder in die Wellen zu fahren, das Wasser spritzt nur so hinter uns, Andi sitzt im Beifahrerfenster und macht begeistert Bilder übers Dach hinweg.

Hin und wieder gibt es schanzenartige Bodenwellen, 10, 15 Stück hintereinander, die Autos hoppeln wie Hasen den Strand entlang, und wir wissen schnell ziemlich genau über den Zustand der Stoßdämpfer Bescheid.

Im Anschluss erwartet uns die Strandauffahrt. Diese bereitet allen am meisten Probleme, Andi kommt mit dem Passat super durch, doch Achim bleibt mit dem Mercedes stecken, muss buddeln und wird wie viele andere von helfenden Händen an langen Seilen durch den hohen Sand gezogen.

Wer auf der anderen Seite ankommt, wird erst einmal von einer Schar Kinder mit den Worten „Cadeau, Cadeau“ begrüßt, bevor er zurück zum Strand gehen kann, um mit den anderen zusammen im Chor mehr oder weniger hilfreiche und meist unerwünschte Tips in Richtung der nächsten Fahrer zu rufen. Wir sehen Stoßstangen und Kühlergrills fliegen, Autos wühlen sich durch den Sand, mit Schwung erfolgreich, ohne Schwung nicht lange, so dass Ziehen angesagt ist, zuviel Schwung bedeutet meistens, dass es jeden Moment fliegende Teile zu bestaunen gibt. Ein besonders beliebtes Ziel ist ein ungünstig mit Gebüsch bewachsener, harter Sandhaufen mitten im weichen, tiefen Sand. Dieser wird bereits nach den ersten 5 Autos warnend mit abgerissenen Teilen geschmückt, so dass die nächsten vielleicht drum herum fahren.

Es folgt eine Stunde Mittagspause, in der an Pause nicht zu denken ist, denn das ganze angrenzende Dorf ist auf den Beinen, um zu sehen, was die Weißen denn so dabei haben. Kinderaugen scannen den Fahrzeuginnenraum und man merkt, wir sind nicht die erste Rallye, die hier vorbeikommt.

Es ist aber auch schön, zu sehen, dass alles, was so verteilt wird, strahlende Gesichter erzeugt, vom Sonnenschirm bis zu Schuhen, Kugelschreibern und Wasserflaschen, alles findet sofort Abnehmer.

Sehr befremdlich ist für uns aus der Mülltrennungshochburg der Welt jedoch, dass alle Papierchen, Flaschen etc. einfach in hohem Bogen in die Wüste gefeuert werden.
Wir haben gestern bei unserer täglichen Müllverbrennung – das ist hier die sinnvollste Art, Müll loszuwerden – noch ein paar Ölkanister und ein Plastikfischernetz ausgebuddelt und verbrannt – und die Menschen hier werfen alles einfach in die Prärie. Es läuft hier vieles anders.

Nach der Cadeau-Mittagspause geht es zurück auf „normale Straßen“, wellige, steinharte Stoßdämpfertöter, die Reifen müssen wieder von 0,9 Bar auf Straßenverhältnisse gepumpt werden, das Ziel ist ein Campingplatz nahe Nouakchott.

Abends unterhalten wir uns noch über die heutigen Eindrücke, da meckert unsere Nachbarsziege, vermutlich will sie schlafen. Wir sitzen noch auf ein Bier im Auto, und denken an die Leute, die uns in Dresden und Stuttgart verabschiedet haben, an die ganze einjährige Vorbereitungszeit auf die Rallye, das lange Urlaub Aufsparen. Und jetzt sitzen wir also hier in Afrika am Meer, und können die ganzen Eindrücke noch gar nicht erfassen.

In einer völlig anderen Welt, in der unsere Gewohnheiten nicht gelten, in der die Leute anders aussehen, sprechen, denken und leben.

Es hat sich jetzt schon gelohnt.

Wir haben jeden einzelnen Tag etwas Neues erlebt und erfahren, mussten uns täglich auf neue Situationen und Gegebenheiten einstellen (nicht nur des frühen Aufstehens wegen). Jeden Tag hat sich die Welt um uns herum ein Stück verändert. Wir haben uns mit den Leuten der Rallye so langsam angefreundet, mit vielen Menschen, die uns auf dem Weg begegnet sind, gesprochen, mit manchen gelacht, über andere gelacht oder den Kopf geschüttelt.

Es ist schön, hier zu sein.

Am nächsten Morgen rächt sich die Ziege für die Ruhestörung der letzten Nacht, und weckt uns mit unermüdlichem Gemecker.
Hier in Nouakchott sind wir auf einem Campingplatz untergebracht, es gibt wieder Toiletten und Duschen statt Spaten und Wasserflasche, dafür muss man zum Frühstück und Abendessen seine eigene Tasse und Besteck mitbringen.

Es gab wohl Probleme in Mali und Paris, von denen wir nur am Rande Informationen haben. Auswirkungen zeigt das auch für uns: Nachts sollen wir auf Anweisung des Tourismus-Ministeriums nur alle an einem Ort bleiben, abends sehen wir am Strand ein Polizeiboot vorbeifahren und Präsenz zeigen.

Die Wüstengendarmerie war eigentlich doch nicht vorgesehen, ist jedoch kurzfristig mit 10 Mann dabei.

Wir bekommen direkt von Problemen und Konflikten nichts mit,  unsere größten Probleme sind, dass das Brot schnell verschimmelt und geschälte Mandarinen binnen Minuten zur Krokantpraline werden.

2 Gedanken zu „Auf dem Strand nach Nouakchott“

  1. Ich verfolge euren Blog täglich und bin im Gedanken bei euch. Ich finde es sehr spannend von euren Erlebnissen zu lesen und fiebre mit euch mit. Viel Erfolg weiterhin. Neidisch Grüße aus dem kalten, leicht verschneiten Deutschland.

  2. Huuuuiiiii! Ohhh, ich bekomme Tränen in den Augen, wenn ich eure Beiträge lese. So schön, so toll, dass ihr das machen könnt und ihr so viele spannende Erlebnisse habt. Sitze hier am Rechner im kalten Schland, die Heizung spinnt mal wieder (sei froh, dass du nicht da bist, Thorsten), aber mir wird grade ganz warm ums Herz.

    Kommt gut weiter durch und erholt euch gut dann in Gambia. Ich freu mich schon ganz arg auf eure Geschichten und noch mehr Bilder.

    Fühlt euch alle rundum gedrückt! 🙂

Kommentare sind geschlossen.